Endlich Rechtsklarheit: BGH hält die energetische Grenzüberbauung für verfassungskonform


Von:  BV - RA Wolfgang Reinders / 15.12.2021 / 15:42


KARLSRUHE. Der Nachbarschaftsstreit über eine grenzüberschreitende nachträgliche Wärmedämmung drang bis zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe vor. Die höchsten Richter mussten klären, ob eine für diesen Fall bestehende landesrechtliche Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Mitte November ist hierzu das Urteil gefallen.


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  • Der Bundesgerichtshof hat als höchstes Zivilgericht ein Urteil zu Wärmedämmung gefällt.

Eigentümer benachbarter Grundstücke haben zur Klärung ihres Rechtsstreits den Weg durch die Instanzen beschritten. Auf beiden Grundstücken stehen vermietete Mehrfamilienhäuser. Während das eine Haus fünf Meter von der Grundstücksgrenze entfernt gebaut wurde, steht das andere Gebäude direkt auf der Grundstücksgrenze. Genau das wurde zum Problem, als an der Giebelseite eine Wärmedämmung aufgebracht werden sollte. Da der Aufwand für eine Innendämmung zu hoch und damit unwirtschaftlich sei, verlangt der Hauseigentümer von seinem Nachbarn, die grenzüberschreitende Außendämmung zu dulden.

Das Amtsgericht Köln hielt den Wunsch oder besser die Klage des sanierenden Hausbesitzers für legitim. Das Landgericht Köln hingegen stellte sich auf die Seite des abstandwahrenden Hauseigentümers. Er müsse die grenzüberschreitende Wärmedämmung als vorsätzlichen Überbau (gemäß § 912 BGB) nicht dulden. Vielmehr sei die (in § 23a Abs. 1 NachbarGesNRW) vorgeschriebene Duldungspflicht verfassungswidrig und nichtig, weil es an der Gesetzgebungskompetenz des Landes fehle.

Bundesgerichtshof hält Grenzüberbauung für verfassungskonform

Jetzt haben die Karlsruher Richter ein Machtwort gesprochen. Im gerade veröffentlichten Urteil heißt es: Nachbarn müssen bei einer nachträglichen Wärmedämmung einen leichten Überbau (bis zu 25 Zentimeter) auf ihr Grundstück hinnehmen. Mit der energetischen Gebäudesanierung solle Energie eingespart werden und das liege im allgemeinen Interesse. Die Regelung gilt bei Altbauten. Neubauten müssten so geplant sein, dass die Wärmedämmung in den Grenzen des eigenen Grundstücks bleibt.

Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte damit zugleich klar, dass die Bundesländer die grenzüberschreitende Wärmedämmung regeln dürfen. Nach nordrhein-westfälischem Landesrecht müssen Nachbarn den Überbau dulden, wenn eine vergleichbare Wärmedämmung anders nicht mit vertretbarem Aufwand zu lösen ist und die Überbauung das Nachbargrundstück nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt.

Vergleichbare Regelungen gibt es in den Nachbargesetzen vieler Bundesländer, darunter in Baden-Württemberg, Hessen, Brandenburg, Niedersachsen, Thüringen und Berlin.

Redaktioneller Hinweis: Interessierte können die → Urteilsbegründung (BGH-Urteil vom 12. November 2021 – V ZR 115/20) online nachlesen.


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